Dienstag, 17. November 2015

Unterwegs in Armenien

Ich möchte mit diesem Reisebericht einen Eindruck geben über ein Land, das uns sehr beeindruckte mit wunderbaren Menschen und ungewöhnlichen Kulturgütern. Unter normalen Umständen wäre das überhaupt nie unser Urlaubsreiseziel geworden, nun sind wir froh, dies erlebt zu haben. Gerade die einfachen Menschen am Land haben uns beeindruckt, die trotz ihrer Armut uns Fremde mit offenen Armen aufnahmen.


Warum gerade Armenien?


Anfang Mai 2013 fliegen wir in den Kaukasus, und das via Paris, weil wir Air France für unseren Flug ausgewählt haben. Dieses für uns eher ungewöhnliche Ziel haben wir uns ausgewählt, weil ein Sohn mit Schwiegertochter dort für ein paar Jahre leben wird, aus dienstlichen Gründen. "Besucht uns doch mal", sagten Sie und wir ließen uns nicht lange bitten und buchten schon im Winter den Flug. Schließlich wollen wir sehen, dass es ihnen dort auch gut geht. Und wir sind unwahrscheinlich neugierig auf das kleine Land Armenien, das dort im Kaukasus seit dem 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung der erste christliche Staat der Welt ist.

Araratgebirge, heute gehört es zur Türkei

Armeniens Lage im Kaukasus ... und der Genozid


Noch heute ist Armenien auf drei Seiten eingeschlossen von islamischen Staaten, nur im Norden ist mir Georgien ein benachbarter christlicher Staat gelegen. Von dort und aus dem Iran bekommt Armenien die Güter, die es einführen muss.Die Grenze zur Türkei ist geschlossen. 

Der vor 100 Jahren begangene Genozid von Türken endete mit der Vertreibung der Armenier, die damals noch am Ararat lebten und mit dem Hungertod von etwa 1,5 Mio. Menschen. Das hoch über Yerevan gelegene Genozid Denkmal ist sehr beeindruckend, auch für uns. Der grausame Hungertod dieser Armenier war der erste Völkermord dieses Ausmaßes im 20. Jahrhundert (nach dem Völkermord an Nama und Herero zehn Jahre zuvor in Südwestafrika, bei dem etwa 86.000 Menschen starben). 

Uns beeindrucken vor allen Dingen die Menschen. Wir beobachten, wie eine Schulklasse ans Denkmal kommt, Blumen um die ewige Flamme herum niederlegt und einige der Jugendlichen weinen. 

Am Genoziddenkmal Tsitsernakaberd

Am 24. April 2013 war der 98. Jahrestag. An diesem Tag sollen die abgelegten Blumen hier höher gewesen sein als die Menschen, die davor standen. 


Ewige Flamme am Genoziddenkmal Tsitsernakaberd


Außen neben diesem Denkmal gibt es ein Ehrenmal für gefallene Armenier, die den Krieg am Berg Karabach nicht überlebt haben. Und damit werden wir an die Grenze im Osten nach Aserbaidschan erinnert. Sie ist ebenfalls geschlossen und dort herrscht am Berg Karabach noch immer Krieg. Hier steht offensichtlich eine trauernde Witwe, eine junge Frau. Der Rasen rund um die Anlagen wird gerade ordentlich mit Wasser besprüht, überhaupt macht alles einen sehr gepflegten Eindruck. 



Genoziddenkmal Tsitsernakaberd


Dann, beim Weggehen, kommen wir an den Gedenktafeln des Genozids vorbei. Eine Tafel von Papst Johannes Paul dem II., aber auch sehr viele Tafeln der verschiedensten Staatsoberhäupter. Durch seine Lage oberhalb der Millionenstadt Yerevan kommt eine ehrfurchtsvolle Stimmung auf, das ist wirklich perfekt gemacht.


Päpstliche Gedenktafel zum Genozid



Der Berg Ararat 



Der Berg Ararat steht auf heute türkischem Gebiet, in Westanatolien. Von Armenien aus ist er wunderbar zu sehen, sogar in Yerevan scheint er ab und zu durch die Hochhäuser.

Der Große Ararat ist 5.137 Meter hoch, der kleine immerhin 3.896 Meter. Natürlich sind beide wunderbar mit Schnee bedeckt und begleiten uns während unserer Fahrt nach Süden, die wir gleich am Tag nach unserer Ankunft unternehmen. Im Araratgebirge, so heißt es, soll Noah mit der Arche gelandet sein.

Blick auf das Kloster Khor Virap vor dem Großen und Kleinen Ararat


Das Kloster Khor Virap


Sehr schön ist der Blick auf das Kloster Khor Virap, mit dem Ararat im Rücken. 


Kloster Khor Virap, mit dem Ararat im Rücken.



Dieses Kloster ist gleich unser erstes Ziel. Das Kloster Khor Virap ist eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten Armeniens. Hier soll sich der tiefe Kerker (oder eher eine Grube?) befunden haben, in den der heidnische König der Überlieferung nach den Christen Grigor werfen ließ. In diesem Erdloch soll Grigor damals lange 15 Jahre zugebracht haben, bis er auf Veranlassung von Chosroviducht freigelassen wurde. Sie war die Schwester des Königs und glaubte daran, dass Grigor den König von dessen unheilbarer Krankheit erlösen und heilen könnte. 


Die Wallfahrtsstätte liegt etwa 40 Kilometer südöstlich von Yerevan, an der M2. Mehr als 300 Jahre später erst wurde Grigor gewürdigt, indem Katholikos Nerses III. hier eine Kapelle errichten ließ. Im Jahre 1662 wurde aus der Kapelle ein Kloster mit einer Muttergotteskirche im Zentrum gebaut. Dazu kamen Mönchszellen, ein Wirtschaftsgebäude, die Klostermauern und ein Refektorium. 



zwei Bettlerinnen  am Aufstieg zum Kloster

Zum Kloster kommt man heute von einem unterhalb liegenden Parkplatz aus über eine steile Treppe. Am Fuße der Treppe erleben wir hier in Armenien die ersten Bettlerinnen. Zwei alte Frauen sowie eine junge Frau mit Baby sprechen uns sogar direkt an. Ein Friedhof mit Grabsteinen aus vielen Jahrhunderten befindet sich direkt unterhalb des Klosters und einen Picknickplatz mit Grill gibt es auch. 




Kloster Khor Virap



Die Grabsteine liegen hier wild durcheinander, der Friedhof ist bereits etliche hundert Jahre alt. Es ist ein Ort, an dem wir automatisch ehrfürchtig werden. Wahnsinnig beeindruckend ist die Bauweise des Klosters, die wir später immer wieder an armenischen Klöstern bewundern dürfen.

 
alter Friedhof


Weiter in Armenien unterwegs



typische Landschaft

Armeniens Straßen

Wir fahren von Yerevan aus südlich nach Goris etwa 300 Kilometer auf sehr schlechten Straßen. Einige Sehenswürdigkeiten fahren wir direkt an, andere "finden" wir quasi im Vorbeifahren und halten an. Mehrmals müssen wir Schafherden ausweichen bzw. langsam daran vorbeifahren. Ab und zu sehen wir auch Rinder, die allerdings eher mager wirken. Je weiter wir nach Süden kommen, desto öfter sehen wir Pferde auf der Koppel stehen. Jetzt im Frühjahr sind etliche Wiesen beinahe grün, im Sommer werden sie schnell braun werden. Mehrere Friedhöfe sehen wir auf dem Weg. Oft sind die Toten als Krieger dargestellt, viele ganz junge Männer/Burschen sind darunter. Einmal liegen die Grabsteine wild durcheinander, der Friedhof ist bereits etliche hundert Jahre alt. 

Schafherde unterwegs


Am Vorotan Pass

Wir überqueren den Vorotan Pass, der nach dem hier entlang fließenden Fluss benannt ist.


Vorotan Pass

Trinken zu Ehren der Toten

Ein Friedhof steht am Hang, der einem künstlichen Stausee des Vorotan Flusses zugeneigt ist. Hier befindet sich auch ein Mahnmal für die Toten des Zweiten Weltkrieges, die hier gefallen sind. Wir steigen aus und gehen hinüber zum Friedhof, betrachten einige Grabsteine. 

Eine Gruppe Armenier kommt auf uns zu und nach einem kurzen Gespräch sind wir alle vier eingeladen, zu Ehren der Toten etwas zu essen und zu trinken. Die Armenier sind wahnsinnig nett. Sie sind ganz sicher sehr arm, aber sie teilen mit uns ihr Essen und einen Schnaps, den sie uns kräftig einschenken. Ein wenig vom Essen und Trinken soll auch auf den Boden geschüttet werden, das ist dann für die Toten. 






Beim Betrachten des Mahnmals sagt einer der Männer: "wir lieben die Deutschen, aber diese Toten sind im Kampf gegen Deutsche gefallen..." "Die Deutschen haben hier gute Brücken gebaut..." sagen sie. Sie stammen - bis auf eine Frau, die aus dem Süden hier eingeheiratet hat - allesamt aus einem Dorf, das noch immer unten im Tal liegt, an der Stelle, wo heute der Stausee ist. Sie wurden damals zwangsweise umgesiedelt, damit der Stausee und mit ihm ein Wasserkraftwerk erbaut werden konnte. "Unser Haus kann ich noch erahnen", sagt ein Mann. "Heute leben wir in dem Dorf dort drüben. Bitte besucht uns doch, dann schlachten wir zu euren Ehren ein Schaf". Wahnsinn. So viel Freundlichkeit zu uns, die wir doch völlig fremd für sie sind.

Friedhof



Shaki und Saralandj


Später fahren wir durch das Dorf Shaki und sehen die Armut. Etliche Kuhfladen sind ordentlich zu einer Lage zusammengefügt, die an der Luft trocknet. Später wird dies zum Heizen verwendet werden. Holz gibt es in Armenien nur noch sehr wenig, nachdem die Wälder im Krieg ziemlich abgeholzt wurden. In den Gärten blühen Obstbäume, vermutlich Aprikosenbäume, auch Apfelbäume.

Shaki

Dann geht es weiter und nach wenigen Minuten stoppt uns wieder einmal eine Schafherde. Gleichzeitig sehen wir einige Arbeiter, die die im Winter durch den Frost entstandenen Löcher mit Teer ausbessern. Das scheint eine endlose Aufgabe zu sein, denn die Straße besteht aus sehr vielen und tiefen Löchern, denen wir ständig ausweichen müssen. Obwohl die M2 eine Hauptstraße ist, kommen wir langsam voran. Immer wieder den tiefen Löchern ausweichen müssen, niemals eine Sekunde wegschauen oder gar die Natur genießen können: für unseren Sohn, der am Steuer sitzt, ist es anstrengend, auch wenn er es nicht zugibt.


Saralandj


Dann belustigt uns ein Ortsschild: "Das klingt wie Saarland", ja beinahe. Saralandj ist ein kleiner Ort mit nur 215 Einwohnern. Er liegt auf 1.400 m Höhe in der Provinz Lori. Ab und zu sehen wir in den Niederungen Menschen, die einen weißen Sack mit sich tragen und offensichtlich etwas sammeln. Kräuter? Vielleicht Wilden Thymian, den ich ab und zu in die Nase bekomme?



Selimpass und Seidenstraße


Die Straße ist hier ein Teil der alten Seidenstraße. Waren wurden bereits seit dem dritten Jahrtausend vor Christus von und nach entlegenen Orten in China und Europa transportiert. Über die Jahrhunderte bereiteten die Armenischen Herrscher den Weg für einen vielschichtigen Handel zwischen Ost und West, Nord und Süd. Eine alte Karawanserei auf dem Selimpass zeugt davon. Der Pass ist eine Gelegenheit für uns, auszusteigen, die Natur zu genießen und Fotos zu schießen.



Selimpass



Ab und zu begegnen uns LKW, die aus dem Iran heraufkommen und Armenien mit Waren beliefern. Manchmal ist es ein Mack und natürlich muss ich einen solchen fotografieren. 





Der Warenverkehr geht heute nur noch von/nach Norden (Georgien) und Süden (Iran). Die Türkische und die Aserbaidschanische Grenze sind ja geschlossen. Die Region ist für seinen guten Wein bekannt und überall an der Straße stehen Leute mit winzigen Verkaufsständen, die Wein verkaufen.


Areni


Der nächste Ort, den die Straße hier streift ist Areni. Das Dorf wurde vor allem durch zwei Dinge bekannt: den Weinanbau und eine kleine hübsche Muttergottes - Kirche, die oberhalb des Dorfes und unterhalb eines felsigen Berges auf einem Plateau liegt.



Areni


Die einschiffige Kirche hat zwei Kirchengänge, wurde 1321 fertiggestellt und zählt als historisch bedeutendes Bauwerk. Die Kreuzkirche besitzt ein konisches Dach, das wir in Armenien immer wieder an Kirchen entdecken. Der runde Tambour - Turm über der quadratischen Vierung wirkt, im Verhältnis zur Größe der Gesamtkirche, groß und beinahe klobig. Dennoch ist es eine sehr hübsche Kirche. Die Ortschaft liegt unterhalb dieser Kirche. 


Areni

Die Häuser sind meist mit Blechdächern belegt und ähneln sich sehr. Ganz in der Nähe sollen sich die Ruinen eines Palastes und einer Brücke (beide erbaut im 13. Jh) befinden. 

Die Brücke gab der Bischof Sarkis in Auftrag, erbaut wurde sie von 1265-1287, etwa 1 km nordöstlich der Kirche. In direkter Nähe befinden sich auch Ruinen einer noch älteren Brücke. Der Palast gehörte Lord Tarsaitch Orbelian of Syunik. Für eine Besichtigung fehlt uns die Zeit, wir sind sowieso auf dem Weg zu einem ganz besonders schönen Kloster, dem Kloster Noravankh.



Kloster Noravankh


Noravankh heißt so viel wie neues Kloster. Es gilt als eines der schönsten Kloster Armeniens. Es liegt in der Schlucht des Amaghu auf einem Felsen und von Weitem wirkt der Stein der Gebäude beinahe rötlich. Wir biegen in eine Straße ein, die einen Bach überquert und uns dann direkt in die felsigen Berge hineinführt. 



Eingang zum Kloster Noravankh


Wir sind hier in der Nähe des Ortes Jeghegnadsor (Provinz Wajoz Dsor), südlich von Areni. Irgendwie habe ich das Gefühl, als habe es "schon immer" hier gestanden, als gehöre es einfach hierher. Beim Näherkommen sehen wir mehrere Gebäude, die Anlage betreten wir durch ein offenes Steintor inmitten einer Mauer. Das größere Gebäude fällt sofort ins Auge.


Mausoleumskirche

Muttergotteskirche im Kloster Noravankh


Es ist die sogenannte Muttergotteskirche, Surp Astvatsatsin (Heilige Gottesmutter). Sie ist in drei Ebenen begehbar. Die erste (unterste) Ebene ist über sechs Stufen erreichbar. Über dem Eingang fällt uns ein plastisches Bild auf: es ist die Gottesmutter, rechts und links je von einem Engel eingerahmt.

Mausoleumskirche im Kloster Noravankh


Die zweite Ebene kann man über eine sehr schmale, auffällige und "gefährlich" wirkende Steintreppe erreichen, die vorn am Portal von rechts und links nach oben führt. Aus einer italienischen Reisegruppe kommt ein Mann auf diese Treppe zu und beginnt sie auf allen Vieren zu besteigen, bis ihn der Reiseleiter zurückpfeift. Auch wir gehen hier nicht hinauf, es erscheint uns zu gefährlich. Die Steintreppe besteht aus Quadern, die etwa 30 cm breit sind und eher wie ein Fassadenschmuck wirken denn als Treppe. Über dem Portal ist wiederum ein plastisches Bild sichtbar. Diesmal ist es Jesus zwischen Petrus und Paulus.


Muttergotteskirche im Kloster Noravankh

Die "dritte Ebene" ist eine mit zwölf Säulen begrenzte Rotunde, auf der ein typisches Runddach sitzt. Die Rundumsicht von hier muss herrlich sein. Erbaut wurde die Muttergotteskirche in der Zeit von 1331 bis 1339 nach Plänen des Mönchs und Künstlers Momik, der allerdings 1333, mitten in den Bauarbeiten, starb. 

Muttergotteskirche im Kloster Noravankh


Einer der vielen Kreuzsteine auf dem Gelände des Klosters soll das belegen. Im Gelände finden sich etliche uralte Grabplatten, Kreuzsteine oder auf Armenisch Chatschkare genannt. Durch die armenische Schrift wirken sie wunderschön.


Kreuzsteine im Kloster Noravankh


Täuferkirche


Täuferkirche im Kloster Noravankh

  

Die Hauptkirche des Klosters ist die dem Heiligen Täufer gewidmete Surp Karapet (Täuferkirche). Sie scheint teilweise auf Felsen und Ruinen zu stehen. Eine erste Täuferkirche soll schon im 9. Jahrhundert entstanden sein, es existieren aus dieser Zeit noch einige Reste des Fundaments. Im Anschluss wurde dann im 13. Jahrhundert die Neue Täuferkirche errichtet. Sie ist aber auch dem Heiligen Stephanus geweiht.

Täuferkirche im Kloster Noravankh


Vor allem durch den runden Tambour- Turm und das unverwechselbare Dach über einem quadratischen Kreuzgewölbe mit vier Eckkapellen besitzt sie die typische Form der armenischen Kirchen. Allerdings lese ich, dass sich anstelle dieses Tambour-Turmes hier zunächst ebenfalls eine Rotunde befand, die seit der letzten Restaurierung in den 1990-er Jahren (wegen der Erdbebenschäden) ersetzt wurde. Schade. Es wäre wohl etwas Besonderes gewesen. 

Täuferkirche im Kloster Noravankh


Die Neue Täuferkirche erhielt im 13. Jh. auch ein rechteckiges Gavit (Empfangshalle), das im 14. Jh. (ebenfalls nach einem Erdbeben) ersetzt wurde.

Täuferkirche im Kloster Noravankh


Das Kloster ist seit dem 13. Jahrhundert Bischofssitz der Bischöfe von Siounie und wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein aktiv als Grabstätte der Dynastie der Orbelian Fürsten genutzt. 

Seit dem 17. Jh. ist das Klostergelände mit einer Mauer umgeben.




Wir zünden in beiden Kirchen Kerzen an. Immer fünf sehr schmale gelbe Kerzen, die man am Eingang kaufen kann. 


Kloster Noravankh


Ein Klosterarbeiter in Gummistiefeln und Sonnenhut huscht vorbei und verschwindet schnell durch die Steinmauer, wohl in einem Nebengebäude. Vor dem Klostergelände gibt es einen Parkplatz mit sauberen Toiletten, die in einem Gebäude untergebracht sind, das mit den hier gefundenen Steinen verkleidet ist. Unsere Schwiegertochter hat uns allen etwas zum Essen eingepackt und so essen und trinken wir außerhalb des Klosters an aufgestellten Picknick-Tischen, immer mit dem Blick auf die schönen Klostergebäude und die herrliche Landschaft inmitten der Berge und hohen Felsen.


Kloster Noravankh

Insgesamt ist alles sehr beeindruckend. Und hier entdecken wir zum ersten Mal Touristen außerhalb Yerevans: den Bus mit italienischen Reisenden. Seit 1995 ist das Kloster Noravankh zum UNESCO Weltkulturerbe nominiert.

Kloster Noravankh
Text bei der Unesco: "Noravank ist durch eine felsige Schlucht erreichbar und liegt in einer spektakulären Landschaft im Amaghou-Tal, umgeben von roten und grauen Kalksteinfelsen. Die Klostergebäude stammen aus dem 13. Jahrhundert und zeichnen sich durch die Originalität ihres Designs aus, insbesondere durch die des Architekten Momik. Das Tal enthält auch wichtige Höhlenkomplexe." https://whc.unesco.org/en/tentativelists/13/

Goris



Goris


Wir erreichen irgendwann Goris. Goris liegt im Südosten Armeniens, gehört zur Provinz Sjunik und hat etwa 24.000 Einwohner. Beeindruckende Felsen hinter der Stadt enthalten Höhlen. 


Goris


Vom Hochplateau östlich des Vorotan blicken wir hinunter auf die Stadt, deren rote Dächer sofort ins Auge fallen. Die Stadt liegt auf 1.370 m Höhe. Ein besonders großes Haus sticht uns ins Auge. Es ist bei näherer Betrachtung, als wir später mit dem Auto daran vorbeifahren, ein Hotel, aber offenbar ohne Gäste oder gar geschlossen.

Höhlen um Goris


In den verzweigten Höhlen am Fuße der Berge lebten die Menschen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein. Diese Stadtteile werden altes Kjores oder Schen genannt. Das neue Goris entstand am Reißbrett und ist daher recht gleichmäßig verteilt.

Spaziergang durch Goris


Vor dem Abendessen gehen wir ein wenig durch den Ort. Gleich vor der Pension beobachte und fotografiere ich mehrere kleine Eidechsen, die metallisch in der Sonne schimmern. 


Typisch für die Stadt sind die Abwasser- Rinnen rechts und links neben der Straße. Immer wieder entdecken wir tiefe Löcher in den Straßen, nachts ist es also sehr gefährlich, hier durch die Straßen zu gehen.



eine Straße in Goris

Die Regenrinnen hören oft 1-2 Meter oberhalb der Straße auf. Die Bäume hängen in den Niederspannungsleitungen und und und.... Wir entdecken auf unserem Spaziergang auch etliche winzige Geschäfte, die schmal, aber besonders lang (oder tief) sind. Sie erinnern mich an Wohnhäuser im Süden Spaniens oder Italiens.

eine Straße in Goris
Eine typische Kirche in Goris. Sie heißt "Erleuchter Kirche" und ist wieder einmal dem Heiligen Gregor gewidmet. Erbaut wurdesieim 7. Jahrhundert.




Im Inneren ist sie gewohnt einfach ausgestattet und besitzt innere geländerlose Treppen, die in die obere Ebene führen.


Hotel Mirhav


Wir wohnen in einem kleinen Hotel, das unsere Kinder vor etwa einem Jahr schon einmal besucht hatten. Da es ihnen gefiel, buchten sie hier für eine Nacht und bestellten auch schon das warme Abendessen, typisch armenische Kost. Es gibt große Happen gekochtes Rindfleisch mit Kartoffeln, dazu typische armenische Salate. Es ist eine richtig schöne Pension, in der wir uns gleich wohl fühlen.


Durchgang zum Restaurant


Das Hotel Mirhav liegt direkt neben dem Fluss Goris. Es besteht aus einem alten Gebäude und (bald) einem zweiten, modernen Haus. Daran wird gerade gearbeitet und stolz führt uns der Chef herum. 


Hotel Mirhav 2

Er ist Iraner und hat etwa 40 Jahre in Deutschland gelebt und als Arzt gearbeitet. Er habe, erzählt er uns, bei Verwandtschaftsbesuchen hier in Goris immer ein Hotel vermisst. Deshalb hat er nun sein in Deutschland gespartes Geld verwendet um in dieses Hotel zu investieren. 
Treppe im Haus 2


Die Treppenstufen gestaltet er selbst mit. Dafür verwendet er bunte Keramikstücke, die kunstvoll eingearbeitet werden. Der Chef führt uns ganz stolz durch sein neues Haus.  


Im Hotelgarten


Am nächsten Morgen habe ich Probleme mit meinem Magen. Die Apotheke im Ort ist noch geschlossen und ich bitte zum Frühstück nur um einen Tee. Ich bekomme dann noch einen "Spezialtee" vom Chef: gerösteten Zucker und wilden Thymian aufgebrüht. Zusammen mit Immodium komme ich langsam wieder auf die Beine. .
Das Araratgebirge

Nun verlassen wir Goris und fahren zum Kloster Tatev. 
Es liegt auf einem hohen Felsen südlich von Goris und ist auf zwei Wegen etwas schwierig zu erreichen: mit dem Auto über unbefestigte Wege steil bergan oder mit einer Bergbahn. Wir entscheiden uns fürs Auto, kommen nach Süden an typischen armenischen Dörfern vorbei und fahren hinunter in die mit dichten Wäldern umsäumte Schlucht des rauschenden Vorotan zur Satansbrücke. Das Auto kann auf einem kleinen Parkplatz stehen bleiben. 



Satansbrücke


Satansbrücke


Die kleine Wanderung dauert insgesamt nicht mehr als 20 Minuten. Heiße schwefelhaltige Quellen gibt es hier und unten in der Schlucht rauscht der Fluss. 


Glücksbringer



Stofffetzen in den Zweigen sollen Glück bringen. Austretendes mineralisches Wasser bildete hier an der engsten Stelle über dem Fluss so viel Kalksinter, dass die 30 Meter breite Satansbrücke entstand. In den Zweigen, manchmal an sehr unzugänglichen Stellen hoch über dem Abgrund, hängen bunte Stoff- Fetzen, die Glück bringen sollen. 




Eine Kuhle im Felsen hat viele kleine Steine. Auch das soll Glück bringen, wenn man Steinchen hinüber wirft, die dort liegen bleiben.




Kloster Tatev




Das Kloster Tatev liegt oberhalb der Vorotanschlucht auf dem Berg. Gleich nach der Satansbrücke geht es in vielen steilen Serpentinen hinauf. Der Weg ist voller Geröll und mit dem Auto schaffen wir das nur, weil das Auto einen Allradantrieb hat. 





Vor uns sehen wir einen Armenier, der mit seinem Pferd ganz gemächlich nach oben unterwegs ist. Das Schild an der Satansbrücke zeigt an, dass der Anstieg 12 % beträgt, manchmal ist es aber eindeutig steiler. 




Die 30 minütige Fahrt über insgesamt 14,5 km ist ein Abenteuer, denn an den Seiten ist kein Schutz und es geht weit und steil nach unten. Alternativ könnten wir mit der Bergbahn nach oben fahren, wir sind uns aber einig, dass wir lieber mit dem Auto fahren wollen.

Tramway Tatev


Die Tramway Tatev ist eine Seilbahn, die bei Goris über der Worotan - Schlucht die Orte Halidsor und Tatev miteinander verbindet. Die Orte liegen auf 1.546 bzw. 1.537 Metern Höhe. Die im Oktober 2010 eröffnete Seilbahn ist insgesamt 5,75 km lang und verläuft in 321 bis 500 Metern Höhe über der Schlucht. Sie gilt (2013) als längste Pendelbahn der Welt. Zwei Kabinen fassen jeweils 25 Personen, die Fahrt dauert etwa 11 Minuten. Erbaut wurde die Seilbahn vom Schweizer Kompetenzzentrum der österreichisch-schweizerischen Firma Doppelmayr / Garaventa als Teil eines touristischen Aufbauplanes in Armenien. Die Seilbahn wird über das gesamte Jahr über betrieben. 


Tramway Tatev - Bergstation



Die Einwohner der beiden verbundenen Orte Tatev und Halidsor dürfen ebenso wie die Einwohner der umliegenden Dörfer einmal täglich unentgeltlich mit der Bahn fahren.
Wir sehen die Bahn während der Auffahrt und auch beim Hinabfahren und insgeheim bewundere ich die Menschen, die diese Fahrt mit der Seilbahn riskieren. Es gibt ja keinerlei Stützen unterwegs, wie auch, und an ihrer tiefsten Stelle schwebt die Seilbahnkabine immer noch 321 m über der Schlucht.



die Serpentinen nach Tatev



Wir sind uns alle einig, dass wir lieber die dreifache Zeit mit der beschwerlichen Autofahrt über endlose Serpentinen und an steilen Abhängen entlang auf uns nehmen. 


Wegweiser oben 


Allerdings haben wir einen guten und ziemlich neuen Geländewagen, mit dem wir hier unterwegs sind. 



hinter der Steinmauer liegt das Kloster Tativ


Das Kloster Tatev liegt ganz oben an einem Felsvorsprung. Von hier aus können wir die ganze Gegend wunderbar überblicken. In Kriegszeiten kam die gesamte Bevölkerung des Ortes Tatev hier unter (18./19.Jh.). Heute gehört das Kloster zum UNESCO Weltkulturerbe. Das burgartig angelegte Kloster Tathev stammt ursprünglich aus dem 9. Jahrhundert. Es wurde am Ort eines noch älteren Heiligtums erbaut und war damals schon Bischofssitz. Nachdem das Kloster während der Sowjetherrschaft vernachlässigt wurde, wird nun, seit der Wende, viel restauriert. 


Peter und Paul Kirche im Kloster Tatev


Die Peter und Paul Kirche ist die größte der Kirchen. Sie ist auch die älteste. Zwischen 895 und 906 soll sie erbaut worden sein. 

Peter und Paul Kirche im Kloster Tatev


Mir gefallen ganz besonders die schönen Säulen vor der Kirche, die in eine Art Arkade münden. Im Inneren ist die Kirche sehr schlicht gehalten. 


die typischen Kerzen in der Peter und Paul Kirche

Der einzige wirkliche Schmuck ist eine Ikone. 


Ikone in der Peter und Paul Kirche


Grigorkirche im Kloster Tatev


  

Die Grigorkirche wurde im Jahre 1295 direkt an der Südostwand der Hauptkirche errichtet. 


Grigorkirche im Kloster Tatev




Sie ist dem Heiligen Grigor, dem Erleuchter geweiht. Das Innere wird durch einen Querbogen geteilt. Beide Teile besitzen ein Gewölbe.

Grigorkirche im Kloster Tatev





Der Turm stammt aus dem 19. Jahrhundert. Er ist in allen drei Geschossen nach allen Seiten hin offen und wird von einem sechssäuligen Türmchen mit leicht gefaltetem Schirmdach bedeckt. Von der Galerie zwischen den Kirchen sind leider nur noch Bruchstücke vorhanden.



Loch nach unten in der Grigorkirche im Kloster Tatev




An einigen Stellen geht es direkt in den Abgrund, wir müssen aufpassen.


Ausblick ohne Sicherung

Die Dreifaltigkeitssäule


Die Dreifaltigkeitssäule aus dem Jahr 906 ist aus kleinen Steinen erbaut. Die achteckige Säule ist acht Meter hoch und hat ein verziertes Gesims. Das Raffinierte daran ist die Konstruktion. Die Steine sind durch Scharniere so miteinander verbunden, dass sich die Statue bewegen kann. Durch Erdbeben, sogar durch bloße Berührung einer menschlichen Hand, wippt die Säule und kehrt dann in ihre Ausgangsposition zurück. Sie trägt auch den Namen Gavazan (Hirtenstab).

Dreifaltigkeitssäule "Gavazan" im Kloster Tatev

Muttergotteskirche


Die Muttergotteskirche wurde im Jahr 1087 auf das Eingangsportal des Klosters gebaut. Darunter befindet sich wahrscheinlich eine Gruft.

Muttergotteskirche im Kloster Tatev


Wirtschaftsgebäude ziehen sich rundum, die Mauer entlang. Sie sind bisher leider nicht restauriert worden.

Wirtschaftsgebäude im Kloster Tatev


Auch von der Universität und den Manuskripträumen sehen wir nicht viel mehr als leere Räume.


leere Wirtschaftsgebäude im Kloster Tatev

Auch von der Universität und den Manuskripträumen sehen wir nicht viel mehr als leere Räume.

Manuskriptorium imKloster Tatev


Wir sind sehr beeindruckt von diesem riesigen Kloster, das einfach so auf diesen hohen Felsen erbaut wurde, damals noch ohne Auto oder Seilbahn.

Ausblick vom Cafe


Gleich neben dem Kloster gibt es eine Art armenisches Cafe. Wir trinken Tee bzw. Kaffee und essen etwas Gebäck dazu. Die Pizza, die gerade fertig wird, ist eher nichts für uns.

Schafherden überall


Wir fahren dann auf dem gleichen Weg zurück bis Goris, wie wir am Vortag herkamen. Von Goris gehts dann - ohneUmwege - zurück nach Yerevan.

der alte Friedhof vom Vortag


Reifenreparatur in Yerevan


Wir fahren dann auf dem gleichen Weg zurück, wie wir am Vortag herkamen. Dann zurück in Yerevan, sieht der Sohn das Malheur: Einer der Reifen hat durch die Strapazen des Weges nach und von Tatev ein Loch bekommen. Noch hält die Luft, aber das Loch muss bearbeitet werden. Unser Sohn kennt eine Werkstatt und dann erleben wir, dass immer wieder Autos mit demselben Problem vorfahren, kein Wunder bei diesen Straßen.


Autowerkstatt in Yerevan


Der Reifen wird repariert und für ein paar Euros ist der Reifen wieder strapazierbar. Für uns ist selbst diese kleine Reparatur ein Erlebnis. Wir beobachten eine mindestens siebzig Jahre alte Frau, die hier in der Werkstatt putzt. Ein anderer Fahrer mit Reifenpanne spricht uns an und schon sind wir alle vier zum Fischessen eingeladen. Die Menschen in Armenien verblüffen uns immer wieder.