Samstag, 14. April 2018

Spanien Extremadura

Die Extremadura ist für uns mindestens genau so schön wie Andalusien, dafür aber nicht so von Touristen bevölkert.



Korkeichen



Schon lange einmal wollten wir uns Korkeichen aus der Nähe ansehen. An der Costa Blanca gibt es nur Steineichen, die sehen den Korkeichen sehr ähnlich.




 Auf dem Weg von Caceres nach Badajuz haben wir Gelegenheit, uns einige Bäume anzusehen, deren Rinde frisch geerntet wurde. Man könnte meinen, sie seien braun angemalt, sind sie aber nicht. Hier fehlt der schützende Kork... Wir staunen über die Dicke des Korkes: 2-3cm ist er dick. 3000 Korken werden aus einer Rinde eines Baumes gewonnen, aber heutzutage gibt es im Handel immer weniger Wein mit "echten" Korken.





Die Bäume werden mehrmals "geerntet", daher die Markierung. Nach 9 Jahren ist die Rinde nachgewachsen und kann dann wieder geerntet werden. 100 bis 200 kg Kork kann ein einzelner Baum im Laufe seines Lebens liefern. Die 3 auf dem Stamm zeigt an, dass er zuletzt 2013 geerntet wurde.






Korkeichen sind ebenso wie Steineichen nur dort zu finden, wo es keine richtigen Winter gibt. Frostgrade halten sie nicht aus, dafür aber längere Zeiten der Dürre. Und sie benötigen auch keinen anspruchsvollen Boden zum Wachsen. Wie groß und mächtig die Bäume wirklich sind, seht ihr auf dem folgenden Foto.






Der Kaiseradler lebt in diesen riesigen Wäldern und auch der vom Aussterben bedrohte iberische Luchs ist hier heimisch.

Übrigens binden Korkeichen, die regelmäßig geschält werden, dreimal so viel CO2 wie ungeschälte Bäume. 


Donnerstag, 12. April 2018

Urlaub im Land der ehemaligen Kopfjäger Teil 2


Traditionen (Beschneidungen und Hochzeiten), Menschen auf Nias, Kautschuk und Strände

Die Menschen auf Nias kennen nur wenige Europäer. Sie wurden zwar ab 1865 bis in die 1930 er Jahre von Deutschen Missionaren der Rheinischen Missionsgesellschaft Wuppertal zum Christentum bekehrt, aber Touristen gab und gibt es kaum auf der Insel Nias. Und wenn doch, dann sind esvorwiegend Australier und meist im Süden oder auf den HinakoInseln westlich von Nias, weil dort die Wellen so hoch sind, dass sie zum Wellenreiten einladen. Über unseren Ausflug auf die Hinako Inseln, der nicht so gut ausging, berichte ich später...


Heute geht es mir erst einmal darum, das Wesen der Menschen etwas besser zu erklären. Wir wollen nördlich von Gunung Sitoli zu einer unberührten Stelle im „Abseits“. Unterwegs dorthin halten wir an einer einfachen Herberge hinter der Kirche, wo die „wilde“ Tanzgruppe aus dem Süden von Nias, die wir vor 2 Tagen bewundern konnten, logiert. Sie sollen uns heute Mittag besuchen und Bernd Eberlein will dies noch einmal absprechen. Wieder wird behauptet, der Chef der Tanzgruppe sei krank. Scheinbar hat dies Methode, wahrscheinlich erhoffen sie sich, damit Geld zu erhalten. Aber die Rechnung geht nicht auf. Bernd Eberlein lässt dem Chef Aspirin aus der Apotheke holen und das ganze Palaver dauert an. Wir stehen hinter der evangelischen Kirche und warten.






Gegenüber ist eine Baustelle, die wir inzwischen beobachten. Viele Rikschas (hier heißen sie Becak) fahren an uns vorüber, ab und zu sogar mit islamischen Schülerinnen besetzt. 

Nur 6 % der Niasser sind 2002 Islamisten und alle wohnen an der Küste. Sie versuchen  mit allen Mitteln, andere zu bekehren, indem z.B. arme Kinder auf Islamschulen nach Sumatra geschickt werden, um durch Heirat auf Nias dann später den Islam zu stärken, heute (2018) sind es schon 15 %. 

Weitere 20 % der Einwohner sind 2002 katholische (2018 nur noch 10%) und 74 % evangelische aktive Christen. Eine Nonne fährt mit dem Fahrrad an uns vorbei. 







In dem Dorf, das wir nun aufsuchen, stehen wieder einige der prächtigen Adathäuser. Das Dorf hat den schönen Namen Hili-Hati.




Die Frauen holen Wasser vom nahegelegenen Fluss.










Das Mädchen zerstößt eine Rinde, möglicherweise die des da òra-Baumes, die der Blutstillung und Desinfektion bei  der Beschneidungszeremonie dient.
Teilweise wird noch heute die famoto iraono -Zeremonie an Jungen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren durchgeführt. Früher wurden in Nord-Nias alle Jungen und in Süd-Nias nur die Söhne der si ùlu - Adelsschicht beschnitten. Zum Fest kamen Eltern und Verwandte zusammen und baten den Gott Lowalangi um Absegnung der Beschneidung (amoto). Früher führte ein Ere-Priester die an bestimmte Festzeremonien gebundene Beschneidungszeremonie aus. 




Zuerst wurde ein Schwein geschlachtet und unter den eingeladenen Gästen aufgeteilt. Den Löwenanteil  davon sowie 1/4 fanulo und 2 1/2 g Reingold erhielt der Priester. Dem ranghöchsten salawa- Adligen im Dorf stand ebenfalls diese Menge zu. Sobald der chirurgische Eingriff verheilt war, gab es ein weiteres, noch größeres Fest, wobei zwei besonders große Schweine geschlachtet werden mussten. Ohne diese Feierlichkeiten galt die Beschneidung als nicht durchgeführt, was zur Folge hätte, dass später dem Mann die Heirat verwehrt würde. 



Heute gibt es spezialisierte samoto- Beschneider. Er steckt einen Holzring oder ein Bambusrohr auf die Eichel, stülpt die Vorhaut darüber und schneidet sie rundherum mit einem scharfen Messer ab. Um die dabei entstehenden heftigen Schmerzen und die starke Blutung zu lindern, verwendet man folgende traditionellen Heilmittel: Der aufgeträufelte Pflanzensaft der gitö lambrana -Liane lindert den Schmerz, die pulverisierte Rinde des da òra- Baumes stillt die Blutung und desinfiziert und zu Brei zerstampfte junge Blätter des lehe manawa (teakartiger Hartholzbaum, dessen Stämme für den Unterbau der traditionellen Adathäuser verwendet werden) verhilft zur schnellen Wundheilung.



Quelle: „Nias“ von Bernd Eberlein, Mai Verlag 1999






Dann ist endlich die Tanzgruppe da. 



Sie erhofften sich wohl ein komplettes Mittagessen, nicht nur Snacks und Getränke. Die Mädchen spielen uns ein Theater vor: sie stöhnen und halten sich den Bauch, aber wir durchschauen das und beleidigt hören sie auf damit.





Die Strände auf Nias sind zumeist keine richtigen Badestrände. 


Wir wollen nach soviel Kultur endlich einmal zum Baden fahren und werden von unserem Fahrer Iman zu einem Strand bei Foa, etwa 30 min Autofahrt südlich von Mira gefahren, der an ein Grundstück grenzt, das ebenfalls unseren Gastgebern Hr. Eberlein und Calvin Harefa gehört. Hier sollen zwei Ferienbungalows entstehen und, etwas zurückgesetzt, ein Wohnhaus für Iman und seine Familie, die später die Gäste der Ferienhäuser bewirten und im Grundstück Gemüse anbauen sollen. 



Iman hatte während einer längeren Abwesenheit von Bernd Eberlein schon den Bau „seines“ Wohnhauses direkt in Strandnähe beginnen lassen; dies ist jetzt gestoppt und wird als Ferienhaus abgeändert. 



Als wir aus dem Wasser kommen, setzt plötzlich ein starker Regen ein, der etwa 20 min. anhält. Zu unserem Glück hat Iman eine Plane im Auto, die uns an einer Feuerstelle des halbfertigen Hauses notdürftig vor dem größten Guss schützt. Auch wenn wir vom Baden sowieso nass sind, ist der Guss von oben nicht so angenehm.


Ein andermal fahren wir wieder zum Baden an den Strand. Diesmal fahren wir zwar wieder südlich, aber nicht so weit wie beim ersten Mal. 


Iman will inzwischen eine Rückenlehne des Autos reparieren lassen und holt uns dann wieder ab. Wir laufen von der Zufahrt noch ca. 200 m südlich am Strand entlang, um dort etwas Schatten zu finden. Wir finden sogar einen zementierten Tisch mit Holzhockern und eine Unterstellmöglichkeit für alle Fälle.



Dieser Strand ist besonders schön, aber wir haben den Eindruck, dass mit der Zeit immer mehr Land abgetragen wird; denn einige Palmen wurden bereits unterspült und fielen um, weitere Palmen stehen noch, aber schon die meiste Zeit im Wasser. 

Der Wald hinter uns ist noch ein Primärwald, also ziemlich unberührter Dschungel. Mit der Zeit kommt die Flut und es wird Zeit zurückzufahren. Als  wir sehen, dass Iman wieder da ist, laufen wir am Strand entlang zurück und werden dabei von zwei besonders großen Wellen völlig durchnässt. Diesmal hilft wieder Imans Plane, diesmal jedoch als Schutz für das Wagenpolster.



Der dritte Badeausflug führt uns zu einem recht breiten Strand, leider nicht so unberührt wie die ersten Strände. 



Es sind Häuser in der Nähe und dann sehen wir eine ertrunkene Kuh im Wasser. Die Lust zum Baden ist uns dann erst einmal vergangen. Wir hören lieber den beiden Jungen zu, die auf dem Balkon des Wohnhauses Musik spielen.





An einem Morgen sitzen wir gerade beim Frühstück, als wir darauf aufmerksam werden, dass im Nachbargrundstück Kokosnüsse geerntet werden.




 Dahana 


Wir besuchen das Dorf Dahana, das ca. 10 km südlich von uns liegt.



Dies ist ein typischer Weg durch den Dschungel, wie er überall auf NIAS angelegt ist. Die Menschen wollten so nicht so leicht von den Kopfjägern gefunden werden.






In der Gegend um Dahana wird Kautschuk gewonnen. Hierzu wird der Kautschukbaum schräg angeritzt, so dass der Saft des Baumes nach unten läuft und über ein Blatt in aufgestellte Kokosnussschalen einläuft. 




Dabei darf allerdings die Kambiumschicht zwischen Holz und Rinde nicht verletzt werden. Da die Kokosnussschalen nicht z.B. mit einem Sieb geschützt sind, ist der einlaufende Kautschuk sehr verschmutzt und muss billiger verkauft werden als reiner weißer Kautschuk. 




Der Kautschuk wird das ganze Jahr über geerntet. Es ist eine mühsame Angelegenheit, da ständig nachgeritzt werden muss, aber die Quelle des Saftes versiegt nie, solange der Baum lebt.



Der Kautschukbaum stammt ursprünglich aus Brasilien und gehört zur Gattung der Wolfsmilchgewächse. Heute wird er v.a. in Südostasien zur Kautschukgewinnung angebaut. Er wird 20 bis 30 m hoch mit weißlichgelben, unscheinbaren aber duftenden Blüten. Die Bestäubung der getrenntgeschlechtlichen Blüten erfolgt durch den Wind.

Die Früchte sind dreiklappige Kapseln, die drei 2 bis 2,5 cm lange Samen enthalten. Der Ölgehalt der Samen beträgt 40 bis 50 %; das Öl wird z.B. in Sri Lanka für technische Zwecke genutzt.




Die erste Nachricht über Kautschuk stammt aus dem Jahre 1521, als ein Spanier auf Haiti Kinder mit Gummibällen beobachtete, die aus dem Saft der Bäume gewonnen waren, aber erst 1877 gelang es, Samen nach England zu bringen, von wo aus Jungpflanzen nach Singapur verschifft wurden. Sie waren das Ausgangs-material für den Beginn der Kautschukkulturen in Indonesien.




Der größte Teil des Latex wird am Anbauort durch Zusatz von Essig- oder Ameisensäure koaguliert, ausgewalzt, zu Ballen gepresst und in dieser Form exportiert. 94 % der Weltproduktion kommen heute aus Südostasien. Auch in der Zukunft bestehen günstige Bedingungen für den Absatz von Kautschuk, da gerade für Fahrzeugbereifungen wieder bevorzugt Naturkautschuk eingesetzt wird.






Wir laufen später durch ein kleines Dorf, in dem Kautschuk aufgekauft wird. Den uns begleitenden und noch unerfahrenen Südniasser spricht ein Mann an: Er will von uns einen „Wegzoll“ dafür erhalten, dass wir durch das Dorf laufen („weil Kinder verschwunden seien“). Viele Niasser versuchen, aus allem etwas Geld herauszuschlagen.



Der unreine Kautschuk wird gewogen und sofort nach vollen kg bar bezahlt.
Wir fragen nach dem Gewicht des gerade gewogenen Kautschuks und erfahren, 
es sind 42 kg. Ein Familienclan hat diese Menge an zwei Tagen gemeinsam zusammen-getragen. Der Erlös beträgt hier 200 Rp. je kg, für den gesamten Familienclan gibt es also 8.400 Rp. (1,2 €) für 2 Tage Arbeit.



Traditionelle Hochzeit:


Ein besonderes Erlebnis haben wir - wie es sooft passiert - eher zufällig:



Auf dem Rückweg von Dahana sehen wir eine Hochzeitsgesellschaft.
Wir halten an und gehen etwas näher. Sofort werden wir eingeladen, dazuzukommen. Diese Ferkel sind Hochzeits-gaben und wurden so verpackt auf Mopeds transportiert.
Hochzeiten werden auf NIAS auch heute noch von den Familien des zukünftigen Brautpaares nach festen Regeln arrangiert. Die Festlichkeiten sind sehr kostspielig; aber Männer jenseits der 30 sollten verheiratet sein; denn Kinder sind für die spätere Versorgung sehr wichtig.



Scheidungen sind auf NIAS so gut wie unbekannt. 

Die Hochzeitszeremonie richtet sich nach dem Adat (Gewohnheitsrecht) und enthält folgende Schritte:

1. Verhandlungen um den Brautpreis sowie die Rechte und Pflichten der durch die Hochzeit verbundenen Familien und des Brautpaares. Dies übernehmen ältere Familienmitglieder, insbesondere die Onkel des Mannes, die Kontakt zu den Onkeln der auserwählten Braut aufnehmen. Dazu wird Schweine- fleisch und Tuak-Palmwein mitgebracht. Lehnt die Familie der braut ab, wird vorgegeben, sie sei bereits vergeben und man solle das mitgebrachte Schweine-fleisch als Wegzehrung wieder mitnehmen. Besteht jedoch  Interesse, werden die Gäste eingeladen, zu übernachten und es wird ein Schwein geschlachtet sowie ein weiterer Gesprächstermin vereinbart.

2. Zum nächsten Treffen werden von den Familien sogenannte samatöro (Kenner des Adat) hinzugezogen. Der Adat- Beistand der Brautfamilie erklärt umständlich und mit vielen Floskeln, dass ein jüngerer, verheirateter Verhandlungspartner geschickt werden soll. 

3. Dieser, si so bahuhuo (Brücke) Genannte führt ab nun die eigentlichen Brautverhandlungen fort. Er handelt den Rahmen-Brautpreis aus (Anzahl der Schweine, ihre nach der Norm des alisi- Maßbandes vorgeschriebene Größe und die in dumbra (ca. 1,6 kg) gewogene Menge an Reis, die die Seite des Bräutigams zu stellen hat, 
damit das nächste Zeremonialfest stattfinden kann.

4. Dieses Zeremonialfest ist vom Stand des Mondes abhängig; denn es ist nur bei zunehmendem Mond mit einer Gradnorm zwischen 6-10 desa‘a möglich.
Bei Vollmond (12 desa‘a) sind nach Glauben der Niasser alle Krankheiten am gefährlichsten; daher werden an Vollmond auch nie Kokospflanzen oder Reisschößlinge gesetzt.



5. Nach Erfüllung aller Verhandlungspunkte und -bedingungen  folgt das symbolische Ringüberreichen (fame‘e laeduru). Hierzu treffen sich die Familien zum Kennenlernen bei einem Festessen.

6. In der nächsten Verhandlungsphase wir der eigentliche Brautpreis ausgehandelt. Es wird, wie die Niasser sagen, „das Huhn zum Gehen gebracht“ (fanunu manu).

7. Nun folgen die Bekanntgabe des Heiratstermins sowie die Übergabe des Brautpreises (die Schweine, der Reis, Gold oder Schmuck und neuerdings auch Geld bis zu mehreren tausend €).

8. Die nächste Zeremonie, das famotu oder fame‘e wird durch Gong und Trommeln angekündigt. Die Braut wird in Gegenwart des Bräutigams von älteren und erfahrenen Frauen des Dorfes über ihre Rechte und Pflichten als Ehefrau aufgeklärt. Die Braut hat dabei Krokodilstränen zu vergießen.

9. Einen Tag vor dem Hochzeitsfest muss noch das folau bawi vollzogen werden: Ein großes und völlig unversehrtes einfarbiges schwarzes oder weißes Schwein muss mit einem Flechtband aus der Rinde des Ohulu- Baumes um den Leib sowie um die beiden Hinterbeine geschmückt werden, wobei das Flechtband ein bestimmtes Muster aufweisen muss, da sonst das Schwein als taboi bawi verscheucht oder abgelehnt werden kann.

Diese Zeremonie konnten wir hier beobachten.


10. Nun erst erfolgt die Hochzeit, die falöwa. Entstammt die Frau einer Adelsfamilie, wird das Dorf mit gaba-gaba-Torbögen aus Bambus dekoriert, die mit Kokosblättern und Grasblumen hübsch verziert sind.

Der Bräutigam kommt mit seinem ganzen Gefolge zum Haus der Braut, um sie dort abzuholen und vorher an der bedeutungsvollen Abschiedszeremonie der Braut teilzunehmen. In einem dekorativen bola nato Flechtkorb überreicht der Bräutigam kniend und ohne aufzusehen seiner Schwiegermutter Betelnuss.

Dann folgt eine Zeremonie, bei der der Braut ein neuer vorübergehender Name (bis zu ihrem ersten Kind) gegeben wird. Nach dem ersten Kind heißt die Mutter „Mutter von ...“ (Ina ...) und der Vater „Vater von ...“ (Ama ...). Danach wird die Frau auf einem wie eine Sänfte hergerichteten Stuhl von ihren Onkeln nach außen getragen, wobei sie zum Zeichen ihrer Jungfräulichkeit mit ihren Füßen nicht den Boden berühren darf. Sie wird dann unter Begleitung von Gesang und einem aus Gong und Trommeln bestehenden Orchester zum Haus des Bräutigams geführt und von ihm ins Haus getragen. Dort bereitet die Braut Betelnüsse zu und bietet diese über eine dritte Person ihrem Bräutigam und allen Gästen an.

Sprechen und essen darf sie dabei nicht, sonst wird sie für gierig gehalten. Vom Geschmack der Betelnuss schließt man auf das Geschlecht des künftigen Kindes: Kräftiger Geschmack und dunkelroter Saft bedeutet Sohn und mildes Aroma mit hellroter Flüssigkeit Tochter.

Die Nacht verbringt die Braut im Hochzeitszimmer, allerdings mit ihrer Schwägerin; der Bräutigam nächtigt nebenan mit seinen Brüdern und Freunden.

11. Frühestens am 4. Tag und längstens 2-3 Wochen nach Einzug ins Haus des Bräutigams beginnt die nächste Zeremonie, famegö („der Braut zu Essen geben“). Hier steht die Brautmutter im Mittelpunkt, die die Zeremonie vornimmt und damit symbolisch zum Ausdruck bringt, wer die Braut aufgezogen und heiratsfähig gemacht hat.

Zum Abschied erhält sie zwei lebende Schweine sowie eine bestimmte Menge Gold. 



12. Danach findet erst die eigentliche Vermählung statt; denn nun darf das junge Paar zusammen nächtigen und die Ehefrau ihren Hunger stillen.

13. Nun folgt die Zeremonie femanga gahe („das Schwein mit den geflochtenen Bändern essen“). Hier wird noch einmal die Position des Schwiegervaters hervorgehoben; denn die geflochtenen Hinterbeine symbolisieren die Rolle des Schwiegersohnes als „Helfer des Schwiegervaters“, der im Schwein selbst versinnbildlicht wird.

14. Eine Woche später folgt dann der nach dem adat vorgeschriebene letzte Akt der Hochzeit: Das famuli nucha („alle wertvollen Gegenstände zurückbringen“). Den Schwiegereltern der Braut werden nun der wertvolle Schmuck und die teure Kleidung zurückgegeben, die diese für das aufwendige falöwa-Fest anschaffen musste. 



Von diesen erhält das Paar noch einen Hahn sowie eine Sau, die mindestens einmal Frischlinge geworfen haben muss, als Segen der Fruchtbarkeit, geschenkt. Die Onkel übergeben den Vermählten dann noch einige Hühner.

Erst jetzt ist das Paar endgültig vermählt.



Quelle: „NIAS“ von Bernd Eberlein, Mai Verlag 1999               


Montag, 9. April 2018

Urlaub im Land der ehemaligen Kopfjäger Teil 1

Traditionshäuser, Tanzgruppen, Aberglaube und Kopfjäger 

In der zweiten und dritten Woche unseres Sumatraurlaubes sind wir auf der Insel NIAS. Seit den 1930-er Jahren ist die Bevölkerung weitestgehend evangelisch, wobei sie in sympathischer Weise ihren neuen Glauben mit ihren Traditionen verknüpft haben. Vorher lebten hier, besonders im Süden der Insel, Kopfjäger. Zu den Traditionen aber später mehr.

Tumori, ein traditionelles Dorf auf Nias

Am Hafen in Gunung Sitoli an der Ostküste von Nias kommen wir gegen 7:30 Uhr an. 
Wir warten, bis unser Auto die Fähre verlässt und beobachten inzwischen das bunte Treiben im Hafen.
Ordentlich nebeneinander aufgestellt wartet eine ganze Reihe von Mopedfahrern darauf, als Gepäcktransporter Arbeit zu finden. Nachdem die größten LKW die Fähre verlassen haben, fahren sie auf die Fähre und kommen beladen wieder heraus.
Wir sehen einige Kisten mit lebenden Küken, in einer davon wimmelt es von rotem Flausch, es sind purpurrote Küken. Dann sehen wir unser Auto von der Fähre fahren und gehen ebenfalls hinunter.


Hafen in Gunung Sitoli

Die Insel NIAS liegt westlich von Sumatra / Indonesien und gehört zu den großen Sunda - Inseln.
Sie liegt auf der Sundaplatte zwischen dem asiatischen Festland und Australien, quasi an der Grenze der beiden Kontinentalplatten.


Karte Nias

Ja‘ahowu wa‘atoharemi ba dane Niha!

Von den Niassern selbst wird die Insel auch Tanö Niha (Land der Menschen) genannt.

Etwa 5 km südlich von Gunung Sitoli liegen die Laraga Cottages. Hier in Miga werden wir in den kommenden 14 Tagen wohnen.

Laraga Cottages

Jackfrucht

Gleich am ersten Tag findet in Gunung Sitoli ein Wettstreit statt. 30 Gruppen aus je einem Dorf von Nias tanzen den traditionellen Hochzeitstanz mit Gesang und Begleitmusik. Wir fahren in die Stadt, um uns dies anzusehen. Als wir dort in der Menge auftauchen, werden wir bestaunt, da hier nur selten Europäer zu sehen sind.






Schon nach wenigen Minuten finden wir uns auf der Tribüne wieder und bekommen sofort
die einzigen Sessel zugewiesen. Uns ist es peinlich, da diese Plätze für uns frei gemacht  
werden. Herrn Eberlein haben wir verloren, er sucht uns einige Zeit, bis wir ihn entdecken und ihm von der Tribüne aus zuwinken.






Der "Inselchef“ von Nias veranlasste, dass wir diese Plätze erhalten und auch mit Essen und Getränken versorgt werden.


Wir genießen diesen Wettstreit direkt hinter der fünfköpfigen Jury.

Als 30. und letzte Gruppe tanzt eine „wilde“ Gruppe aus Südnias, Nachfahren der Kopfjäger. Sie tragen Lanzen, Schilde und auch den Halsschmuck ihrer Vorfahren, der früher bedeutete, dass bereits ein Kopf „erobert“ wurde.


Tanzgruppe aus Südnias


Ihr Tanz weicht von den übrigen Tänzen ab und erscheint uns besonders exotisch. Der Halsring, den dieser Tänzer trägt,ist ein Symbol für einen eroberten Kopf. 

Tänzer aus Südnias

Später versichern uns die Tänzer, dass sie diese Reifen, die von ihren Vorfahren stammen, nur noch als Schmuck zu ihrer Tracht tragen. Gefertigt wurden sie aus vielen schmalen Kokosnussreifen, die langsam breiter werden.

Bambus

In der Anlage sind viele verschiedene Bambusarten angepflanzt. Herr Eberlein erzählt uns, dass ein Riesenbambus im Wachstumsstadium bis zu 40 cm am Tag wachsen kann. Wir wollen das prüfen und kennzeichnen den Stamm. Innerhalb einer Woche wächst der Bambus zwar nicht 40 cm am Tag, aber doch immerhin mehr als 1 m. Allerdings hat er keine direkte Sonneneinstrahlung.


Orchideensamen

Millionen von gelben Zitrusfaltern fliegen von Blüte zu Blüte oder sitzen gemeinsam in der Sonne. Iman, der Fahrer, sagt uns, dass diese Falter Krankheiten wie Husten hervorrufen würden. Diese Aussage verwundert uns und wir gehen der Sache nach. 


Schmetterling


In einem Buch von Hr. Eberlein finden wir die Antwort: 
Da früher nach der Erntezeit im April nicht viel zu tun war, hatten die Kopfjäger Zeit für ihre Überfälle. Zur gleichen Zeit ziehen jedes Jahr die Scharen der Zitronenfalter (Löho-Löho) über die Insel. Diese Erscheinung brachten die Niasser mit den Kopfjagden in Zusammenhang. Nach altem Glauben sieht man in diesen Faltern auch die Geister der Verstorbenen oder die bösen Geister. Viele Leute schlagen noch heute diese Falter tot, sobald sie auftauchen. Es wird auch erzählt, dass zu dieser Zeit besonders viele Hautkrankheiten auftreten und Kinder verschwinden würden.


Zitronenfalter

Als wir einige Tage später ein Dorf besuchen, in dem Kautschuk gewonnen wird, behauptete ein Mann auch, es seien Kinder verschwunden und versuchte von uns Geld dafür zu erhalten, dass wir das Dorf besuchen dürfen.

Tumori


Tumori 

Am 2. Tag besuchen wir ein Traditionsdorf. Es heißt Tumori. Hier leben die Angehörigen des Clans „Zebua“. In den Traditionshäusern leben nur „Adlige“, deren Stand noch einmal in 12 Kasten geteilt ist. Traditionshäuser werden Adathaus genannt.


Peperoni werden getrocknet


Sobald in einem Dorf alle wichtigen Positionen besetzt waren, wurde wenige km weiter ein neues Dorf gegründet. Die adligen Gründer mussten dann nicht nur genügend Personen aufbringen, die mitgehen, sondern auch zunächst ein Traditionshaus erbauen und Megalithen aufstellen.

Gräber mit Megalithen

Beim Bau eines jeden Adathauses wurde als „Grundstein“ immer ein „erbeuteter“ Kopf in die Erde gelegt.

Die hohen Megalithen stellen die Männer dar und die flachen Megalithen die Frauen.
Vor vielen Häusern stehen die Gräber der Vorfahren, entweder im Garten oder sogar direkt vor dem Eingang. Hier erhält im Gegensatz zu den Gemeinschaftsgräbern der
Bataker jede Person ein eigenes Grab.




Tumori

Auf dem Bild kann 
man solche Gräber im Vordergrund erkennen.

Tumori

Blick auf einige Megalithen links vor dem Adathaus. Sie stehen auch wieder auf Gräbern. Das ist eine der Traditionen, die sie einfach mit dem Christentum verbunden haben. Für uns wäre es undenkbar, dass Oma und Opa vor dem Haus begraben wären.


blühender Strauch

Ein besonders schön und reichhaltig blühender kleiner Baum fällt uns in den Dörfern immer wieder auf. Seine Blüten fassen sich an wie Papier. 



links ein neu angebaute Haus neben traditionellen Adathäusern.

Eine Familie hat an ihrem Adathaus angebaut und darauf ein billiges Blechdach montiert. Bernd Eberlein erklärt dieser Familie, dass damit der schöne Anblick des alten Dorfes Tumori gestört wird und versucht, sie dazu zu überreden, das Dach doch noch nach traditioneller Art mit den umgeknickten Palmwedeln zu decken. Sie versprechen es, aber wir sind nicht davon überzeugt, dass sie es auch wirklich tun werden. 



Tumori

Das Verständnis für den Erhalt der alten Traditionen ist hier noch nicht sehr ausgeprägt. Das liegt auch daran, dass es in Nias keinen Tourismus gibt. In den vergangenen Jahrzehnten wurden sogar einige der alten Häuser abgerissen und durch kleine, einfache (und billige) Häuser ersetzt. Schade, aber leider verständlich angesichts der Armut der Menschen.


Orchideen

Um die noch heute vorhandenen abergläubischen Ängste etwas besser zu verstehen, möchte ich an dieser Stelle erklären, wie die Kopfjagd in früheren Zeiten ablief. Die begleitenden Fotos stammen von den Tanzgruppen, die uns später in den Laraga Cottages besuchen sowie aus einem Museum, das ein deutscher Pfarrer hier in Gunung Sitoli stiftete.



Südniasser vor einem Adathaus der Laraga Cottages

FONDRAKÖ 

Fondrakö wurde früher die Vorbereitung der Kopfjagd genannt.

Wenn die Haupternten beendet waren und die Leute Zeit hatten, etwas anderes zu tun, rief der Häuptling seine Leute zusammen und fragte sie: „Wann ziehen wir ins Feld?“. 
Es wurde festgelegt: am 11. Tag im zunehmenden Mond.



Südniasser vor einem Adathaus der Laraga Cottages

Zum Zeichen der Einmütigkeit schlachtete man ein Schwein. Danach suchte der Häuptling ca. 30 junge Männer aus, die besonders stark waren. Sie mussten ihre Kraft in besonders hohen Sprüngen beweisen:



Speere, Schilde und Brustschutz

Zunächst wurde bis in die Hüfthöhe gesprungen, anschließend bis zur Achselhöhle, danach bis zur Schulterhöhe. Die nächsten Sprünge erreichten den Kopf unter dem Schädel und zum Schluss mussten die Sprünge eine Höhe erreichen, die eine Speerspitze über dem Kopf hoch war.

Südniasser vor einem Adathaus der Laraga Cottages


Wenn dies erreicht war, schlachtete der Häuptling wieder ein großes Schwein und zerhackte es in kleine Stücke, die er mit Erde vermischte und den 30 jungen Leuten in den Mund steckte. Sie mussten es essen und anschließend selbst den Rest des mit Erde vermischten Schweines aufessen.

Jedem der Kopfjäger winkte ein Batu Gold (etwa 10 Gramm) als Belohnung, außerdem erhielt er Kleidung, Schild, Speer und Messer vom Häuptling.


Münzen und Gold inklusive Goldwaage 

In der Zeit vom 1. bis 7. Tag des zunehmenden Mondes begann das Härten der Messer. Sobald die Klinge glühend rot war, wurde sie eine vorgeschriebene Zeit lang ins Wasser getaucht. War sie aus Eisen, musste nun die Klinge weiß wie ein Porzellanteller werden, war sie jedoch aus Stahl, musste die Farbe der Nibung Palme erreicht werden. Nur dann waren die Messer für die Kopfjagd geeignet. Im anderen Fall wurde das Härten wiederholt oder ein anderes Messer gehärtet.

Kurz vor der Kopfjagd wurde wiederum ein Schwein geschlachtet.
Allerdings dürfen die Krieger nicht davon essen, sie erhalten lediglich eine Daumenbreite hoch ungekochten Reis und ungekochten Mais als Henkersmahlzeit.





Das Schwein wird von allen anderen Bewohnern gegessen, um die Götter milde zu stimmen, quasi als Lösegeld für die Seele der Männer, die voraussichtlich im Feld getötet werden würden.


Südniasser vor einem Adathaus der Laraga Cottages

Neben dem Kriegszug kannten die Niasser weitere Formen der Kopfjagd:

- den heimtückischen Überfall, z.B. bei der Feldarbeit des Opfers
- den Überfall eines Hauses in der Nacht, wobei  die Gabel eines Hirschgeweihes zum Einreißen
  des Hauses benutzt wurde
- die ebenso heimtückische Menschenquetsche

Man kann verstehen, dass die in Jahrhunderten entstandene panische Angst vor Kopfjägern die Menschen auf NIAS in abgelegenen Gebieten auch heute noch nicht ganz verlassen hat.

Quelle für Fondrakö-Erklärung: „Die Indonesienexpedition 1887“ von Joachim Freiherr von Brenner-Felsach, Herausgeber Reinhold Mittersakschmöller - Böhlau Verlag Wien-Köln-Weimar 1998


Jedes Jahr im April, wenn die Erntezeit vorüber ist, kommt die Angst zurück. 

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte mit den gelben Zitronenfaltern.